Die meisten Zoos sind über ihre Rolle als Unterhaltungsmedium hinausgewachsen. So sind heute pädagogische Aspekte an erster Stelle zu setzen: Ein Zoo bietet die Möglichkeit, Tiere kennen, lieben und respektieren zu lernen. Die Besucher sollen für bedrohte Tierarten und Umweltschutz sensibilisiert werden. Eine wichtige Rolle spielt der Zoo im Artenschutz und bei Aufzuchtprogrammen zur Erhaltung bedrohter Tierarten und deren Lebensräume. So bildet der Zoo ein genetisches Reservoir für Tierarten, die in ihrem Ursprungsland vom Aussterben bedroht sind. Mit dem Zusammenschluss vieler europäischer Zoos zum Verband EAZA (European Association of Zoos and Aquaria) streben die Zoos durch koordinierte Erhaltungszuchten an, sich selbst erhaltende Populationen bedrohter Tiere in menschlicher Obhut zu schaffen. Oder durch Auswilderungen die genetische Vielfalt wildlebender Populationen zu stärken. Dazu gehören das Europäische Erhaltungszucht-Programm EEP (European Endangered Species Programm) und das Europäische Zuchtbuchprogramm (ESB). Die EAZA überwacht die Zuchtbuchprogramme der einzelnen Zoos, koordiniert den Austausch von Tieren, usw.
Neben diesen Ex-situ-Projekten (Projekte, die außerhalb des natürlichen Lebensraumes der Tierart, also in Zoos, durchgeführt werden) gibt die EAZA Anstoß und Empfehlungen für In-situ-Projekte (also Projekte in freier Wildbahn). Unter anderem hat die EAZA zusammen mit der IUCN die Kampagnen »Regenwald«, »Madagaskar«, »Bushmet«, »Affen« iniziiert. So werden im EAZA Ape Conservation Project folgende Schwerpunkte genannt:
- Verhinderung von Habitatsverlusten
- Verhinderung illegaler Bejagung und illegalen Handels
- Erforschung von Krankheiten und deren Heilung
- Erhaltung von gefährdeten Affenarten und ihres Lebensraumes durch Auffrischung bestehender Populationen oder durch Gründung neuer Populationen durch Auswilderung im ursprünglichen Lebensraum
Eine weitere wichtige Funktion der Zoos ist die Entwicklung wissenschaftlicher Kompetenzen. Diese Aufgabe ergibt sich praktisch von selbst, will man die zwei erstgenannten Aufgaben bestmöglichst durchführen.
Unter dem Schirm von WAZA, EAZA, IUCN und anderer Naturschutzorganisationen sind einige In-situ-Projekte zu nennen:
- Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt/Main unterhält in Vietnam unter der Leitung von Tilo Nadler das EPRC (Primatenschutz-Zentrum) mit inzwischen mehr als 80 Languren, Gibbons und Loris.
- Der Allwetterzoo Münster beschäftigt sich im Rahmen der WZO/IUDZG und der IUCN: Goldkopflangur im Cat Ba Nationalpark; Delacour-Langur im Cuc Phuong Nationalpark; Unterstützung des EPRC; Tonkin-Goldaffen im Na Hang Nature Reserve, alle Vietnam.
- Der Zoo in Kopenhagen (Dänemark) unterstützt im Rahmen der Regenwaldkampagne der EAZA den Schutz der Goldgelben Löwenäffchen in Brasilien durch eigene Mitarbeiter oder durch die Kostenübernahme für andere nationale oder internationale Mitarbeiter.
Der Zoo Usti nad Labem (Tschechische Republik) beteiligt sich am Borneo-Projekt im Golf von Balikpapan zum Schutz der Mangroven mit Nasenaffen, Irawaddy-Delphinen, Seekühen und Salzwasserkrokodilen. Die Liste der Projektbeteiligungen und der Beteilungen an EEP und ESB lässt sich noch sehr weit verlängern. Dazu reicht der Platz hier nicht aus, zeigt aber deutlich die Rolle der modernen europäischen Zoos.
Gerhard Hoffmann